Wo Stehst Du
D iesen Titel trägt der Automat zu Recht: Als "innovativstes Produkt" wurde die Packstation einst ausgezeichnet, drei Millionen Kunden sind begeistert. Wer über das Versandunternehmen DHL ein Buch bestellt, hat die freie Wahl des Lieferorts: Wohnung, Nachbarn, Post-Filiale. Oder in die Packstation. Wirtschaftskorrespondent für China mit Sitz in Schanghai. F. A. Z. Kein Murren, keinen Feierabend kennt die Maschine, hält 24 Stunden Jacke, Laptop, Kamera bereit. Praktisch ist das, auch für Kriminelle. Denn abgeholt wird anonym: Und so bestellen Betrüger auf den Namen ahnungsloser Packstationskunden Waren im Internet, Lieferadresse ist der Automat. Bezahlt wird mit geklauten Kreditkartendaten - oder auf Rechnung. Die geht dann an den Kunden. Für mehr als 100. 000 Euro orderte ein Münsteraner vergangenes Jahr bei Händlern auf fremder Leute Rechnung: Laptops, iPads, Schmuck - alles an die Packstation. Gleich 20 Rechnungen erhielt ein Mandant des Kölner Rechtsanwalts Christian Solmecke für Dinge, die er nie bestellt hatte, geschweige denn erhalten.
Sonst landet die SMS mit dem Packstations-Code auf dem Handy des Betrügers. " Matthias Ritscher vom Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie sekundiert: "Es gibt Verfahren, die sicherer sind als die mTan. " Chipkarten wie die EC-Karte böten "ein eindeutig geringeres Angriffspotential". Der Experte legt den Finger in die Wunde: "Die Umstellung auf ein solches Verfahren kostet natürlich Geld. " Lohnt sich das? DHL-Manager Busch sieht es so: "Egal bei welchem Verfahren: Wo Menschen interagieren, besteht immer ein Sicherheitsrisiko. "
DHL versteht die Aufregung nicht: "Durch Packstationsbetrug entsteht für den Kunden kein finanzieller Schaden. " Den hat das Versandhaus zu tragen - eigentlich. Denn Opferanwalt Solmecke berichtet, vielen seiner betrogenen Mandanten flattere eine Inkassoforderung nach der anderen ins Haus: "Das ist für die Betroffenen belastend. " Schlimmer noch: So eindeutig sei die Rechtslage nicht. Wie auch Bankkunden sind Packstationsopfer nach mancher Rechtsauffassung haftbar: "Wenn sie nicht auf ihre Daten aufgepasst haben. " Klar: Ein Massenphänomen ist Packstationsbetrug noch nicht. Doch das könnte sich ändern: "In letzter Zeit beobachten wir, dass Betrüger mit geklauten Daten nicht nur Bankkonten abräumen, sondern auch Waren im Internet bestellen und diese auf fremde Namen an Packstationen liefern lassen", sagt Timo Steffens vom Bonner Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Die Kriminellen haben die Packstation als Alternative zu den risikoreichen Kontobetrügereien entdeckt: "Anders als nachverfolgbare Geldabhebungen lassen sich Pakete anonym abholen und ebenfalls anonym weiterverkaufen. "
Wo Stehst Du, 2024