Wo Stehst Du
Jeder Todesfall ist mit Kummer und Trauer verbunden. Die Art des Todes hat wesentlichen Einfluss auf die Trauer und die Lebensbewältigung danach. Bei Tod durch Suizid drängen sich den Hinterbliebenen Fragen und Gefühle auf, die die Trauer unsagbar erschweren. Bei anderen Todesarten können diese Themen gar nicht oder abgeschwächt auftreten. Einige besonders schmerzhafte Erschwernisse in der Trauer nach Suizid, die in unterschiedlicher Ausprägung und in unterschiedlichem zeitlichen Abstand vom Tod bei vielen Suizidtrauernden auftreten können:
Es stellt sich die Frage, ob ein Abschiedsbrief helfen kann, mit dem Verlust eines geliebten Menschen zurechtzukommen. Tatsächlich wünschen sich viele Angehörige, einen Brief zu finden. Er kann erklären, warum es überhaupt so weit gekommen ist. Zwar ist der Inhalt eines solchen Briefes meist sehr betrübend. Es hilft trotzdem, die letzten Gefühle und Beweggründe des Verstorbenen zu kennen. Nicht immer ist der Abschiedsbrief eine solche Offenlegung. Manchmal verabschieden sich Suizidenten mit Vorwürfen gegen die Hinterbliebenen und geben ihnen die Schuld an allem. In solchen Fällen wird der Abschiedsbrief eine zusätzliche Last. Sofern der Abschiedsbrief so verfasst wurde, dass er das "Warum? " aufklärt und nicht von Vorwürfen wimmelt, kann er die Trauer von Jugendlichen durchaus erleichtern. Gerade für ältere Kids ist es sehr wichtig, die Beweggründe des Verstorbenen zu verstehen. Nur so kann der Verlust gut verarbeitet werden. Was können Jugendliche tun, wenn ein Angehöriger mit Suizid droht?
Jemand der nie einen Suizidgedanken hatte, wird aufgrund des Todes von Robin Williams zwar nicht plötzlich auf den Gedanken kommen. Aber latent schlummernde suizidale Anwandlungen können dadurch geweckt werden. In einem Kommentar zu Tobi Katzes Artikel habe ich Folgendes gelesen: "Wenn jemand den Wunsch hat zu sterben, sollte man ihn gehen lassen und die Angehörigen vorher darauf vorbereiten. " Was halten Sie davon? Ich weiß nicht, ob man sich darauf vorbereiten kann. Aber es ist eine Frage der Demut zu akzeptieren, dass man nicht jeden Suizid verhindern kann. Es kann nicht darum gehen, dass man jemanden mit allen Mitteln ins Leben zwingt. Man kann versuchen, das Leid des anderen so zu lindern, dass er wieder leben will. Aber wenn das nicht gelingt, wird man ihn nicht halten können. Den Punkt zu finden, an dem man das akzeptiert, ist schwer. Angehörige frage ich dann: "Wenn sich Ihr Angehöriger das Leben nehmen würde, was würden Sie sich hinterher vorwerfen, nicht probiert zu haben? " Etwas nicht probiert zu haben, kann man sich später vorwerfen.
Die Unfähigkeit, das eigene Scheitern nicht als eine Abwertung seiner Person zu verstehen, macht den Suizid für einen Narzissten zur paradoxen Möglichkeit, die eigene Allmacht zu erhalten.
"Wer sich umbringt, ist so verzweifelt, dass er keine Möglichkeit mehr zum Leben sieht. Das hat mit freiem Willen nichts zu tun und ist erst recht nicht mit Mord, der schwersten Straftat überhaupt, gleichzusetzen. " Ute Maibohm erlebt in ihrem Umfeld bis heute viel Hilflosigkeit. Wenn die Rede auf den Tod ihres Sohnes kommt, "wird krampfhaft abgelenkt. " Die gemeinsamen Gespräche in der Selbsthilfegruppe tun ihr gut. "Es ist eine unheimliche Erleichterung zu erfahren, dass man mit dem Erlebten und seinen Empfindungen nicht alleine steht, dass es nicht falsch ist, was man fühlt. " Von Katrin Zeiß, dpa Internet:;; ()
Zurück lässt sie ihren Sohn Tim, der gerade im Kindergarten ist. Alle Kraft zum Weiterleben mobilisieren "Die Nachricht der Polizei traf uns wie ein Schlag. Wir konnten nicht glauben, was passiert war. Trotzdem müssen wir akzeptieren, dass hinter diesem Entschluss zu sterben ein Vorsatz stand und dass wir diesen Tod vermutlich nicht hätten verhindern können", erklärt Irma Seiler. "Unsere Tochter wollte nicht mehr leben; sie sah kein Licht mehr. " Ablenkung, die nur die allerschwersten Stunden lindert, finden sie und ihr Mann – beide sind schon Ende 70 – in ihrer neuen Aufgabe. "Der einzige Trost war unser Enkelkind, das uns nun brauchte. Denn von jetzt auf gleich mussten wir Mama und Papa in einem sein, Tim ein neues Zuhause geben und außerdem noch den Tod unserer Tochter verarbeiten. Das war eine sehr schwere Zeit", erinnert sich die zierliche Frau an die ersten Wochen und Monate nach dem Unglück. "Schließlich mussten wir noch einmal unsere ganze Kraft mobilisieren – auch um Tim, der heute keine Erinnerungen mehr an seine Mutter hat, nicht mit unserem Schmerz zu belasten.
Menschen haben gemeinhin eine gewisse Scheu davor, das Thema Suizid direkt anzusprechen. Unsichere und pubertierende Jugendliche haben es damit sogar noch schwerer. Das liegt daran, dass Suizid einerseits eine gewisse Faszination ausübt, andererseits aber abschreckend wirkt. Der Tod ist ein betrübendes und dennoch allgegenwärtiges Thema. Gerade deshalb ist es so wichtig, mit Kindern offen über das Thema zu sprechen. Schwierig wird das besonders dann, wenn es sich um Suizid handelt. Obwohl jedes Jahr tausende Menschen alleine in Deutschland den Freitod wählen, haben Erwachsene so ihre Probleme im Umgang mit diesem Thema. Umso schwieriger fällt das Familiengespräch über Suizidfälle in der Familie. Dieser Ratgeber soll einen Einblick in verschiedene Wege, als Familie damit umzugehen, bieten. Sachlich darüber sprechen Das rät Jesper Juul, seines Zeichens Erziehungsexperte und Familientherapeut. Nach dem richtigen Umgang mit dem Thema Selbstmord gefragt, meint er folgendes: Man sollte immer ehrlich mit dem Kind umgehen.
Wo Stehst Du, 2024