Wo Stehst Du
Anna, Katharina und Nellie Thalbach (v. l. ); | Foto (Ausschnitt): © Michael Petersohn Ost-Berlin spielt eine wichtige Rolle im Leben von Katharina Thalbach. Dort begann ihre große Bühnenkarriere, dort kam Tochter Anna zur Welt. Heute arbeiten die beiden zusammen – und auch die nächste Generation ist dabei. Eigentlich sei es ganz einfach, antwortet Katharina Thalbach, wenn jemand nach ihrer komplizierten Familiengeschichte fragt. Nur eines müsse man wissen: "Wir sind alle Berliner. Und zwar Ost-Berliner, wenn man es genau nimmt. " Die Frau, die das sagt, stammt aus einer der bekanntesten Theaterfamilien Deutschlands. Ihr Vater Benno Besson war 1949 auf Einladung Bertolt Brechts aus der Schweiz nach Berlin gekommen. Der Schauspieler und Regisseur arbeitete zunächst am Berliner Ensemble, dort lernte er die Schauspielerin Sabine Thalbach kennen. Ihre gemeinsame Tochter Katharina, geboren 1954, gilt heute als Grande Dame des deutschen Schauspiels. Die Liste der Preise, die sie für ihre Auftritte auf Bühnen und vor der Kamera gewonnen hat, ist lang.
In Thomas Braschs Filmdebüt "Engel aus Eisen"(1981) spielte Katharina Thalbach die weibliche Hauptrolle der Lisa Gabler, Angehörige der Gladow-Bande, die im geteilten Nachkriegsberlin auf Raubzüge ging. Die Figur der Schauspielerin Lisa in "Domino" (Brasch, 1982) ist teilweise ihrer eigenen Lebensgeschichte nachempfunden und speziell für sie geschrieben. Die achtziger Jahre brachten ihr aber auch spannende Theaterpartien, so etwa die Rolle der Oi in der Uraufführung von Braschs "Mercedes" (Regie: Matthias Langhoff, 1983) und die der Ophelia in der "Hamlet"-Inszenierung ihres Vaters Benno Besson am Schauspielhaus Zürich. In den nächsten Jahren spielte Thalbach in zahlreichen Filmen und TV-Produktionen, unter anderen in "Paradies" von Doris Dörrie (1986), "Helsinki Napoli" von Mika Kaurismäki (1987), "Der Passagier – Welcome to Germany" von Thomas Brasch (1988), "Die Lügnerin" von Siegfried Kühn (1993), "Die Denunziantin" von Thomas Mitscherlich (1993), "Sonnenallee" von Leander Haußmann (1998/99) und in Heinrich Breloers TV-Dreiteiler "Die Manns – Ein Jahrhundertroman" (2001).
Am Tage der Auflösung inszenierte Frau Thalbach die Theaterpremiere des Stückes "Weiß alles und dickedumm" von Coline Serreau und spielte die Hauptrolle. Seit 1995 ist Katharina Thalbach Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg. Kritik am BRD-System Katharina Thalbach steht dazu, daß sie gerne in Mitteldeutschland gelebt hat. "Sie habe zwar heftig mit der DDR gehadert und sie schließlich nicht ohne Grund verlassen. Aber in den ersten 22 Jahren ihres Lebens habe sie wahrscheinlich an einer Utopie schnuppern können. In der heutigen deutschen Gesellschaft würden die Menschen systematisch vereinzelt und verblödet. Im Osten dagegen hätten die Menschen nicht nur mehr Sex gehabt, sondern auch mehr zu lachen. " — Wir im Osten hatten mehr Sex und mehr zu lachen, Deutschlandradio Kultur, 21. November 2008. Zitate "Es wird sich auch noch eine schöne Alte für mich finden – eine Miss Marple oder so etwas. " – Katharina Thalbach auf die Frage, ob sie Angst vor dem Altwerden hat und davor, im Alter keine Rollen mehr zu bekommen.
Auf der Kinoleinwand sieht man Thalbach weiterhin meist in tragenden Nebenrollen: als Lehrerin in "Hanni & Nanni: Mehr als beste Freunde" (2017), als Nachbarin in dem Liebesreigen "Wuff - Folge dem Hund" (2018) und als Großmutter in der Gesellschaftskomödie "100 Dinge" (2018). Eine zentrale Rolle hat sie in Yilmaz Arslans Coming-of-Age-Drama "Sandstern" (2018): Darin spielt sie die großmütterliche Nachbarin eines 12-jährigen Türken, der neu nach Deutschland gezogen ist. Danach gibt sie die Schulrektorin in dem Kinderfilm "Alfons Zitterbacke - Das Chaos ist zurück" (2019). Philipp Stölzl besetzt sie in dem Musical "Ich war noch niemals in New York" (2019) in einer Hauptrolle, als nach Amerika aufbrechende Frau mit Gedächtnisschwund. Ebenfalls 2019 wird ihr vom französischen Kulturministerium der Ordre des Arts et des Lettres verliehen, eine Auszeichnung an "Personen, die sich durch ihr Schaffen im künstlerischen oder literarischen Bereich oder durch ihren Beitrag zur Ausstrahlung der Künste und der Literatur in Frankreich und in der Welt ausgezeichnet haben".
Wo Stehst Du, 2024