Wo Stehst Du
"Fake us" wird demnächst in Stuttgart und in der Braunschweiger Tanzwerkstatt zu sehen sein. Stattdessen fand den Weg ins Finale eine in Form und Inhalt interesselose "Giselle"-Persiflage von Christophe Garcia (Scapino-Preis). Und ein erschöpfendes Beziehungs-Duo von Michal Mualem und Giannalberto Filippis, das auf die Bühne kullert und nach vielen Aktionen dortselbst beziehungslos nebeneinander liegend endet (Dritter Preis). Dagegen war Alejandro Cerrudos raumgreifendes Solo mit flatternden Armen zu Vivaldi, aber dramaturgisch nicht schlüssigem zweiten Teil, schon spannender (Dritter Preis). So recht was für den Kritikerpreis war das Trio "Swingle Sisters" von Alexander Ekman in Bauschs Tanztheater-Manier: Am roten Tisch wird rhythmisch gehustet und gegrunzt, in Gurken und Äpfel gebissen, bis sich die eine mit Milch übergießt. Man kann das komisch finden, aber was sonst? Da war der Publikumspreis schon nachvollziehbarer: Marko Weigert und Dan Pelleg zeigten in "Box", was man mit zwei großen Kartons so alles anstellen kann.
Auf halbem Weg zwischen Slapstick und Tanz bestachen die zwei durch Phantasie und Taktgenauigkeit, ob sie nun drüberrollten, vor- oder rückwärts, dahinter treppab gingen oder sich mit Ellenbogen stießen. Ein sympathisch verspieltes Duo mit Kisten, aber keine Beziehungskiste. Da konnte man beim Sieger-Duo von Yossi Berg (mit Oded Graf) nicht so sicher sein: Mann flüstert sich was ins Ohr, entblößt den Oberkörper und beginnt ein witziges Händespiel, Abklatschen, Ausweichen, Abfangen, das trotz seiner männlichen Handhabung doch zärtlich wirkt. Und dann rennt einer weg und der andere hinterher, und dann wartet einer, dass der andere ihn einholt. Liebe – immer auf der Flucht. Das alles mit viel Charme und unkonventionellen Gesten getanzt: Eine gute Wahl der Jury, in der auch Pierre Wyss und Henning Paar, Braunschweigs ehemaliger und aktueller Ballettdirektor, saßen.
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Von Andreas Berger Der ewigen Beziehungsduette werden auch die jungen Choreographen nicht müde: Man musste lange suchen bei der 20. Ausgabe des internationalen Choreographenwettbewerbs in Hannover, der Ostersonntag zu Ende ging, um etwas anderes zu finden. Oder zumindest solche, die dem Einerlei der sich aneinder reißenden, auseinander strebenden, umeinander wickelnden Leiber entgehen. Eine Chance dazu, dem Publikum wenigstens mal drei Tänzer und eine kokett pointierte Gesellschaftgroteske dazu zu liefern, hatte die Jury leider vertan: Das Stück "Fake us" des Braunschweiger Tänzers Stéphen Delattre, mit seinen Kolleginnen Maida Kasarian und Lieke Vanbiervliet sehr präzise und wirkungsvoll auf die Bühne der Hannoverschen Staatsoper gebracht, wurde nicht ins Finale gebeten. Dabei hatten die androgyn wirkenden drei in ihren barocken Korsagen vor glutrotem Hintergrund beim Publikum starken Eindruck hinterlassen. Überzeugend gelang sowohl die Auflösung höfischer selbstverliebter Bewegungen in moderne Brechungen als auch der dramaturgische Bogen vom gesitteten "Fake" (Schein) zur wolllüstigen Verstrickung der gestreckten Glieder.
Wo Stehst Du, 2024