Wo Stehst Du
Wiederholt hatten Aussteiger von autoritären Verhältnissen berichtet, von willkürlichen Gesetzen eines Ältestenrates, von Unterwerfung, Psychoterror – und von Prügel. Es waren Gerüchte. Lesen Sie auch Für sie gab es erst 2013 handfeste Beweise, nachdem sich der RTL-Reporter Wolfram Kuhnigk in die Sekte eingeschlichen und mit versteckter Kamera für das RTL-Magazin "Extra" Szenen aufgenommen hat, die für Entsetzen sorgten: Sie zeigen Frauen, die Kinder in einem Kellerraum mit Ruten auf den nackten Po schlagen. Immer wieder. Allem Jammern zum Trotz. Wolfram Kuhnigk legte seine Aufnahmen dem Jugendamt Donauwörth vor. Die Staatsanwaltschaft Augsburg nahm Ermittlungen auf. An einem frühen Morgen im September 2013 rückte ein großes Polizeiaufgebot in Klosterzimmern und einer anderen Filiale im fränkischen Wörnitz an und nahm 40 Kinder mit. Sie kamen in staatliche Obhut, wurden in Heimen und Pflegefamilien untergebracht. Mehrere Elternpaare der Zwölf Stämme, deren Kinder damals von der staatlichen Inobhutnahme betroffen waren, wollen die Bundesregierung deshalb zur Rechenschaft ziehen.
Haben die Kinder noch Kontakt zu ihrer Mutter? Shalomah ist nach unserem ersten Ausstieg zurück in die Gemeinschaft. Sie ist dort aufgewachsen und kam hier draußen überhaupt nicht zurecht. Inzwischen vermissen wir sie nicht mehr. Jeder Kontakt verwirrt die Kinder nur. Sie darf nicht alleine mit ihnen sprechen, immer ist ein Ältester im Hintergrund. Dann wird versucht, den Kindern ein schlechtes Gewissen zu machen, ihnen einzureden, dass sie sowieso bald zurückkommen werden. Der Schaden, der da angerichtet wird, ist größer, als wenn die Kinder ihre Mutter nicht sprechen. Inzwischen wurde Shalomah das Sorgerecht entzogen und ich habe auch das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht. Die Kinder kennen ihre Mutter gar nicht richtig, sie ist ihnen fremd. Aber wenn sie Kontakt aufnehmen möchte, stehe ich dem nicht im Weg. Allerdings nur unter meiner Aufsicht. Und allein, ohne die anderen der Gemeinschaft. Die Gefahr einer Entführung in die USA ist zu groß. Womit kämpfen Sie heute noch? Die Zeit muss Heilung bringen.
Trifft das heutzutage einen Nerv? Pleyer: Ich glaube schon, weil immer mehr Menschen nach der Einfachheit im Leben und nach einem Miteinander suchen. Viele Menschen ziehen deswegen zum Beispiel in Wohngemeinschaften. Die Zwölf Stämme haben sich darauf spezialisiert, sich als fröhliche und harmonische alternative Lebensform zu präsentieren. KNA: Was hat Ihre Meinung geändert? Pleyer: Zweifel haben mich in all den Jahren begleitet. Ich bin innerhalb der Zwölf Stämme mehrfach getauft oder "restauriert" worden, weil ich immer wieder Zweifel hatte. Sie lagen vor allem in den Machtstrukturen begründet, die sich über die Jahre verändert haben. Als ich zu den Zwölf Stämmen gestoßen bin, ähnelte die Gruppe einer Hippiekommune - doch später wurde die Doktrin immer klarer. Das gravierendste Problem war die Kindererziehung. An meiner eigenen Frau, die bei den Zwölf Stämmen aufgewachsen war, habe ich gesehen, wie viele Dinge in einem Menschen zerstört werden können. Das konnte ich meinen eigenen Kindern nicht antun.
Während im Januar Videoaufnahmen die einzigen Beweismittel waren, sollen dieses Mal Aussteiger und Kinder als Zeugen aussagen. Von den Zwölf Stämmen war am Dienstag niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. Themen folgen
Es bedeutet, dass er keinerlei Abschluss hat, nicht einmal die Hauptschule. Ihm ist auch nicht bekannt, dass irgendeines der Kinder einen Schulabschluss gemacht hat. In ihren Schulbüchern, erinnert sich Reip, waren viele Bilder überklebt gewesen. "Mit dem Lesen und Schreiben tue ich mich schwer", sagt Reip heute. Die einzige ausgebildete Lehrkraft sei für einige Zeit ein Gymnasiallehrer gewesen. Ansonsten wurde der Unterricht von Hebammen und Erzieherinnen gehalten. Wie oft in der Woche wurden Kinder geschlagen? Christian Reip lacht: "In der Woche? Jedes Kind praktisch täglich. " Auf die offenen Hände oder den nackten Po. Eine der Unterrichtenden umwickelte ihre Ruten mit Tesafilm. "Damit sie mehr wehtun und länger halten. " Jeden Tag gab es religiöse Zusammenkünfte und "teachings" Als er in der Sekte war, trug Christian den Vornamen Zakar. Solche altertümliche Namen aus der hebräischen Tradition sind üblich bei den "Zwölf Stämmen". Der Bruch mit der Gruppe begann, als Reip sich mit 13 Jahren weigerte, das aus dem Judentum übernommene Fest der religiösen Mündigkeit, die Bar Mizwa, zu feiern.
Für uns alle. Ich lebe immer noch, auch Jahre später, im ständigen Kampf mit meinem Gewissen, bei den banalsten Dingen. Das ist eine Last. Aber ich bin überrascht, wie stabil meine Kinder sind, auch sozial. Ich bekomme sehr oft ein gutes Feedback, zum Beispiel von Lehrern. Trotzdem kann man sehen, dass Leah, die Kleinste, bereits jetzt schon den Großen in vielem überlegen ist, zum Beispiel im Bereich der Kreativität oder des Sozialverhaltens. Sie ist so frei, so normal. Das ist wunderschön, was sie angeht, aber es tut weh, wenn ich an die anderen denke. Ich versuche ganz viel gutzumachen, Wunden zu heilen, Zeit zu haben für sie. Schlimm finde ich, dass manche Eltern Angst vor uns zu haben scheinen. Das Buch scheint dagegen ein wenig zu helfen, viele erkennen jetzt den Hintergrund. Aber es gibt auch ganz viele Stimmen, die sagen, einmal Kinderschänder, immer Kinderschänder, einmal Sekte, immer Sekte, der geht sowieso zurück. Aber das werden Sie nicht tun? Nein, es war einer der größten Fehler in meinem Leben, damals nach dem ersten Ausstieg noch einmal zurückzugehen.
Schönberg - Mehr als 20 Jahre seines Lebens war Robert Pleyers Name Yathar. Er hat bei der Sekte "Zwölf Stämme" gelebt. Vor vier Jahren ist er ausgestiegen und kämpft sich seitdem zurück ins Leben. In ein Leben, das ihm früher nicht erfüllend genug war – das heute aber wertvoller ist denn je. Robert Pleyer schließt die Tür hinter sich und weint hemmungslos. Er hat die letzten anderthalb Stunden damit verbracht, die kleinen Hände seiner acht Monate alten Tochter eisern festzuhalten. "Sei ruhig und sitz still", hat er ihr mit fester Stimme gesagt – und sie dann so lange gezwungen still zu sitzen, bis ihr Willen brach. Bis ihr kleiner Kopf völlig erschöpft in seine Hand sank. Nicht nur in seiner Tochter ist bei diesem stummen Kampf innerlich etwas zerbrochen, sondern auch bei Robert Pleyer. Seine eigene Härte erschüttert ihn. Er wollte immer ein guter Vater sein, ein gutes Mitglied der Gemeinschaft. Als er die Tür hinter sich schließt, merkt er, dass er nur noch eine seelenlose Gestalt ist.
Bild: Da Gewalt in der Erziehung seit 2000 in Deutschland illegal ist, kam es im September 2013 zu einer Großrazzia in den Zwölf-Stämmen-Gemeinden in Klosterzimmer und Wörnitz. 40 Kinder und Jugendliche wurden von der Polizei aus der Sekte geholt und in Pflegefamilien oder Heimen untergebracht. Seitdem versuchen die Eltern, ihre Kinder wieder zurück zu bekommen, gingen dafür bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der verteidigte jedoch die Entscheidung der deutschen Justiz. Durch das Eingreifen der Polizei sei eine "unmenschliche und erniedrigende Behandlung" verhindert worden. Die Kinder sollen nicht in die Gemeinde zurück, da das Risiko einer "systematischen und regelmäßigen körperlichen Züchtigung" gegeben sei. Mallorca schließt Lokale nach Corona-Party – Wirt wütet gegen Behörden Malle ist (2020) keinmal im Jahr: Das Verhalten deutscher und britischer Urlauber auf der spanischen Insel Mallorca hat in den vergangenen Tagen viel Kritik ausgelöst. Sogar Außenminister Heiko Maas (SPD) hat sich geäußert: "So ein Verhalten ist nicht nur gefährlich, sondern auch rücksichtslos gegenüber allen, die auch in Sicherheit ihren Urlaub verbringen möchten. "
Staatliche Absicherungen oder Leistungen wie Kranken- oder Arbeitslosenversicherung lehnen die "Zwölf Stämme" ab. Sie sind von der Außenwelt isoliert, es zählt nur die eigene Gemeinschaft. Der Tagesablauf ist reglementiert und beginnt mit einem morgendlichen Treffen. Mehrmals pro Woche versammeln sich die Anhänger und hören stundenlange Predigten an, auch die Kinder. Das Zeitunglesen und Fernsehen sind verboten, weil es die Mitglieder in Kontakt mit der als teuflisch angesehenen modernen Welt bringen würde. Ihr Weltbild ist einfach: Wer nicht der Gemeinschaft angehört, steht unter dem Einfluss von Satan. Woher die "Zwölf Stämme" kommen Die "Zwölf Stämme" werden von der Öffentlichkeit und den Kirchen als Sekte eingestuft. Sie entstand Anfang der 1970er-Jahre im US-Bundesstaat Tennessee. Der Name "Zwölf Stämme" bezieht sich auf die zwölf Stämme Israels und die zwölf Apostel. Der ehemalige Pädagoge Elbert Eugene Spriggs gilt als Gründer und nannte die Gemeinschaft zunächst "Light Brigade".
Lebensweise Das Leben ist in der Gemeinschaft der zwölf Stämme hierarchisch geordnet. Die Mitglieder nennen sich untereinander Brüder und Schwestern. Die Frauen sind den Männern der Gemeinschaft untergeordnet. Der Tagesablauf ist strikt durchgeplant und beginnt mit dem täglichen Morgentreffen. Die Kleidung und Frisuren der Mitglieder orientiert sich an der, welche in der Bibel beschrieben ist. Die Männer tragen lange Haare und Bärte. Die Frauen tragen in der Regel Kleider und Röcke und in seltenen Fällen auch weite Hosen. Die Mitglieder der Gemeinschaft besitzen kein persönliches Eigentum. Sie arbeiten viel und erhalten dafür keinen Lohn, sondern lediglich Kost und Logis innerhalb der Kommune. Gegen Ende des Jahres 2003 kam es zu Gerichtsverfahren gegen Mitglieder der zwölf Stämme in Deutschland, da diese ihre Kinder von der Schule abgemeldet hatten. Alle Verfahren führten zu Bußgeldern gegen die zwölf Stämme, die diese jedoch nicht bezahlten. Es gab weitere Geldbußen und sogar Ordnungshaft.
Wo Stehst Du, 2024