Wo Stehst Du
Ich denke, bei den Konsumenten ist es sogar noch stärker ins Bewusstsein gerückt. Die Menschen machen sich mehr Gedanken über die ökologischen und sozialen Konsequenzen ihres Einkaufs. Dieses Zurückgeworfen sein auf sich selbst und die Reflexion während des Lockdowns, die Fragen: Wie will ich leben? Was mache ich mit dieser Welt? Das hat sich noch verstärkt. Vaude setzt auch bei der Unternehmenskultur auf andere Maßstäbe. Inwiefern? Wir haben auf dem Papier zwar sehr viele Hierarchien, aber der große Unterschied ist die Rolle der Führungskräfte. Sie sind Rahmengeber und Begleiter. Der Fokus liegt auf Mitverantwortung der Mitarbeiter, Vertrauenskultur sowie Austausch auf Augenhöhe. Die Kultur basiert auf diesen Werten. Dementsprechend ist auch die Rolle der Führungskräfte gestaltet. Sie führen auf einem positiven Menschenbild basierend – auf Vertrauen. Auch Homeoffice setzt Vertrauen voraus. Wie sind Sie mit diesem Thema umgegangen? Regelungen wie das Homeoffice sind bei uns eine Selbstverständlichkeit, weil wir davon ausgehen, dass die Leute, die bei uns arbeiten, es gerne tun.
Mit Blick auf die Firmenzentrale in Deutschland: Wie gelingt es Ihnen hierzulande, sich als attraktiver und sozialer Arbeitgeber zu positionieren? Schon seit Jahrzehnten arbeiten bei uns etwa 60 Prozent Frauen. Früher kamen die meisten nach der Mutterpause nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurück oder erst viele Jahre später – weil sie Beruf und Familie nicht vereinbaren konnten. Damit haben wir uns auseinandergesetzt und Lösungen geschaffen: Heute arbeitet die Hälfte unserer 500 Mitarbeiter in Tettnang in individuell vereinbarter Teilzeit. Homeoffice, Sport- und Entspannungskurse, ein Kinderhaus und eine Bio-Kantine gehören bei uns jetzt ebenfalls zu einer nachhaltigen und modernen Personalpolitik. Nicht alle zusätzlich anfallenden Kosten für Umweltschutz und soziale Verantwortung können an die Kunden weitergegeben werden... Nachhaltigkeit hat ihren Preis: Der Weg dorthin kostet oft mehr und zahlt sich nicht gleich aus. Deshalb können wir auch keine kurzfristig orientierten Investoren gebrauchen.
Vaude Wie der kulturelle Wandel im Mittelstand gelingt Antje von Dewitz hat mit Vaude den erfolgreichsten deutschen Outdoor-Ausrüster geschaffen. Und ganz nebenbei die Grundlagen für eine erfolgreiche Digitalisierung ihres Geschäftes gelegt. Ihre vier wichtigsten Lehren. Sie lesen einen Beitrag aus dem neuen "ada"-Magazin. Mehr Informationen über "ada" finden sie hier. Es gibt ja in diesen Zeiten fast jede Woche ein Institut oder eine Beratung, die aus den Wörtern "Digitalisierung", "Zukunft" und "Mittelstand" ein Angstszenario basteln. "Mittelstand schöpft Digitalisierungspotenzial nicht aus", warnt KfW-Research und beklagt eine fehlende Wagniskultur in kleineren Unternehmen. Es fehle dafür schlicht die entsprechende Unternehmenskultur. "An digitaler Technik kommt kein Unternehmen mehr vorbei. Gerade der Mittelstand hat aber Probleme damit", unkt die Beratung EY. Und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung warnt: "Den Hidden Champions droht die Luft auszugehen. " Denn laut der Untersuchung nimmt die Innovationskraft des größeren Mittelstands in Zeiten der digitalen Transformation spürbar ab.
"Im Durchschnitt kommen auf 1000 Einwohner in Deutschland acht Babys; bei uns zählen wir auf 500 'Mitarbeiter-Einwohner' 24 Babys. Das entspricht also der sechsfachen Quote. " Es schüttet immer noch. Eine sichtlich beeindruckte Wirtschaftsministerin eilt jetzt zum nächsten Besuchstermin, Antje von Dewitz aber eilt heute, an ihrem letzten Arbeitstag vor den Ferien, nirgendwo mehr hin. Sie packt nur noch ein paar Ausrüstungsutensilien aus eigener Produktion zusammen. Am nächsten Morgen wird die sechsköpfige Dewitz-Familie mit dem VW-Bus gen Travemünde zur Fähre nach Trelleborg starten: Kanufahren in Schweden steht auf dem dreiwöchigen Freizeitprogramm. Outdoor also, was sonst?
Wo Stehst Du, 2024