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Allerdings haben sich, und das ist ein noch verlässlicheres Zeichen, auch weniger begnadete, dafür umso bekanntere Sänger des "Abendlieds" angenommen. Zuletzt hat Herbert Grönemeyer versucht es zu singen. Einzelne Verse ("Der Wald steht schwarz und schweiget" oder "Kalt ist der Abendhauch") haben für populäre Filme und Bücher, Krimis im einen wie im anderen Fall, als Titel herhalten müssen. Am 23. Juni 2013 titelte der SPIEGEL: "Der Super-Mond ist aufgegangen". Der Super-Mond ist der hellste Vollmond des Jahres. Sogar eine moderne Parodie auf das Gedicht ist bekannt geworden: Peter Rühmkorfs "Variation auf 'Abendlied' von Matthias Claudius". Gleichfalls parodistisch hat Dieter Hildebrandt es in einer seiner Kabarett-Nummern Helmut Kohl aufsagen lassen. Axel Hacke hat sich auf das "Abendlied" für seine Humoreske "Der weiße Neger Wumbaba" bezogen. Wer einen Vers aus dem Gedicht zitiert, hat gute Aussichten, auf Resonanz zu stoßen. Man muss zugestehen, dass der erste Platz kein unwürdiges Gedicht trifft.
Drittes berühmtes Gedicht Äußerst aktuell kommt dieses bekannte Gedichte daher. Viel hat sich in der Politik der letzten vierhundert Jahre anscheinend nicht geändert. Viertes berühmtes Gedicht Eines der berühmtesten Barockgedichte ist dieser Gryphius. Als Sonett gestaltet, setzt er ein Lieblingsthema der damaligen Zeit um: die Vergänglichkeit. Fünftes berühmtes Gedicht Wer heute einen Kirschbaum in Blüte sieht, sieht einen Kirschbaum in Blüte. In der Vergangenheit sah man den Herrn, wie dieses Gedicht zeigt. Sechstes berühmtes Gedicht Klopstock ist wohl eher unter den Gelehrten berühmt. Er ist Begründer der freien Rhythmen, die ohne Reim und mit ganz eigenem Metrum auskommen. Siebtes berühmtes Gedicht Es gibt von keinem Dichter mehr berühmte Gedichte als von Goethe. Zwei der berühmtesten aller berühmten Goethe-Gedichte folgen hier. Kommentar: Hans-Dieter Gelfert ( Wie interpretiert man ein Gedicht?, Reclam 1990, S. 42) beschreibt Wandrers Nachtlied als Musterbeispiel für ein Symbol, d. h. als ein Bild, das eine äußere Darstellung bietet, aber gleichzeitig innere Vorgänge abbildet.
1937 läßt Benn sich auf eigenen Wunsch nach Berlin versetzen, wo er 1938 seine Sekretärin Herta von Wedemeyer heiratet. Im selben Jahr wird das Publikationsverbot verhängt. Von 1943 bis Kriegsende lebt er in einer Kaserne in Landsberg an der Warthe und arbeitet an seiner Autobiographie. Das Kriegsende erlebt er in Berlin. Auf der Flucht vor der einrückenden Sowjetarmee nimmt sich seine Frau im Juli das Leben. Nach dem Krieg eröffnet Benn seine Praxis wieder und heiratet 1946 die Zahnärztin Ilse Kaul. Findet sich sein Name zunächst auf der 'Liste unerwünschter Autoren', so wird ihm nach der Publikation der Statischen Gedichte (1948) erneute Anerkennung zuteil. Gottfried Benn stirbt am 7. Juli 1956 in Berlin.
ALLE BEITRÄGE ANZEIGEN An die Freude von Friedrich Schiller Das Gedicht erschien erstmals 1786 in der von Schiller herausgegebenen Zeitschrift Thalia und inspirierte in der Folge Beethoven, es zu vertonen. MEHR An Heinrich von Kleist von Detlev von Liliencron In diesem Gedicht feiert ein zu seiner Zeit anerkannter und heute nicht mehr so gefeierter Dichter einen anderen, der zu Lebzeiten arm und verkannt war. MEHR An Minna - An Emma von Friedrich Schiller Die folgenden zwei Liebesgedichte verfasste Friedrich von Schiller 1782 (An Minna) und 1797 (An Emma). Sehr wahrscheinlich beschrieb Schiller in den beiden Gedichten fiktive Persönlichkeiten und niemanden aus seinem Bekanntenkreis. MEHR Der Kuß im Traume von Karoline von Günderrode Vor dem Hintergrund unerfüllter Liebe entstand das Gedicht von Karoline von Günderrode. MEHR Der Panther von Rainer Maria Rilke Rilke besuchte während seines ersten Aufenthalts in Paris häufig den Jardin des Plantes... MEHR Doktrin von Heinrich Heine Schlage die Trommel und fürchte dich nicht... MEHR Ein Vogel mit Humor von Wilhelm Busch Hier stellen wir 14 Gedichte aus Wilhelm Buschs "Kritik des Herzens" vor.
Achtzehntes berühmtes Gedicht Nietzsche hat nicht nur in der Philosophie seine Spuren hinterlassen, auch manch ein Gedicht kann sich das Etikett "Berühmt" ankleben. Neunzehntes berühmtes Gedicht Hugo von Hofmansthal hat nicht viele Gedichte geschrieben, aber gilt neben Rilke als einer der herausragenden Dichter seiner Zeit. Zwanzigstes berühmtes Gedicht Und hier gibt sich der Expressionismus die Ehre mit einem der bekanntesten Gedichte dieser Richtung. Kein Gedicht, aber dafür einer der berühmtesten Songs der Rockmusik in einer ungewöhnlichen Version:
Auch wenn man an dieses Gedicht nicht gedacht hat, überrascht das Ergebnis nicht. Vor 135 Jahren, 1778, ist das "Abendlied" zuerst erschienen, im "Musen-Almanach" auf das Jahr 1779. Seitdem ist es unzählige Male nachgedruckt worden, bis auf den heutigen Tag. Man begegnet ihm immer wieder. In neueren Anthologien wie dem "Großen Conrady" ist es ebenso vertreten wie im "Evangelischen Gesangbuch". Auch in zwei älteren, ganz unterschiedlichen Sammlungen wie Rudolf Borchardts "Ewiger Vorrat deutscher Poesie" und Karl Kraus' "Lyrik der Deutschen" ist das "Abendlied" zu finden – aber nicht "Wanderers Nachtlied". Kraus hatte dafür sicher andere Gründe als Borchardt. Das "Abendlied" ist jedoch nicht nur ein Liebling der Kenner. Man lernt es früh, spätestens in der Schule, und für seine auch danach anhaltende Popularität gibt es eine Reihe von Anzeichen. Von großen Komponisten ist es vertont worden, etwa von Max Reger und Carl Orff, vor allem aber von Franz Schubert, und große Sänger haben es in seiner Version vorgetragen, etwa Dietrich Fischer-Dieskau.
Schwieriger zu beantworten ist die andere Frage: Welches das berühmteste deutsche Gedicht sei. Wenn es gilt, sie zu beantworten, sind viele Leser befangen. Sie urteilen von ihren Vorlieben her und neigen dazu, die Gedichte, die ihnen am schönsten erscheinen, auch für die berühmtesten zu halten. Doch sogar wenn man von den eigenen Vorlieben absieht, kann man sich noch irren. Ich hätte, befragt, zwei Gedichte Goethes genannt: "Heidenröslein" oder "Wanderers Nachtlied" ("Über allen Gipfeln"). Ich musste mich, ungefragt, jedoch eines Besseren belehren lassen. In der von Hans Braam zusammengestellten Sammlung " Die berühmtesten deutschen Gedichte " finden sie sich zwar in der Spitzengruppe, aber nicht an der Spitze. Braam hat das bekannteste deutsche Gedicht durch die Auswertung von 200 Anthologien ermittelt. Goethe belegt u. a. die Plätze 2 bis 5, mit "Der Erlkönig" an zweiter und "Wanderers Nachtlied" an vierter Stelle. "Heidenröslein" findet sich, fast abgeschlagen, auf Rang 44. Den ersten Platz behauptet ein anderes Gedicht: " Abendlied " von Matthias Claudius.
/ Und unseren kranken Nachbarn auch! " Über 70 Vertonungen kennt das noch vor der Französischen Revolution entstandene "Abendlied", die erste von Schubert, die bislang letzte von Herbert Grönemeyer. Unzählige Parodien ("Der Mund ist aufgegangen"), Verballhornungen und Zitate – etwa in Ingrid Nolls Krimi "Kalt ist der Abendhauch" – sind da noch nicht einmal eingerechnet. Wie aber kann man überhaupt messen und wissen, dass dieses Claudius-Gedicht das populärste aller deutschen Gedichte ist? Nun, man muss sich, am besten ganz weit weg vom kalten Mond, einfach mal sommers auf die Terrasse des Deutschen Literaturarchivs Marbach wagen. Mit etwas Glück trifft man dort Hans Braam, einen älteren, sympathischen Herrn mit Hosenbund über dem Bauchnabel und Schnauzbart. Braam kommt seit vielen Sommern regelmäßig nach Marbach und wertet Anthologien, also Gedichtsammlungen, nach Häufigkeit der in ihnen versammelten Gedichte aus. Je mehr Gedichtsammlungen sich auf das gleiche Gedicht einigen, desto eher gehört es zum Kanon.
Die Abendstimmung lässt das alles zu. Der Sprecher beschreibt in einfachen, geradezu schlichten Worten, was er sieht: Mond und Sterne, Wald und Wiese, Dämmerung und Nebel. Die Bilder werden ihm zu Gleichnissen: für die Wunder unserer Welt, die wir schnell übersehen, und für die Grenzen unserer Welt, über die wir nicht hinauszuschauen vermögen. Das bewegt ihn dazu, sich in Demut zu üben: "laß uns einfältig werden/ und vor dir hier auf Erden/ wie Kinder fromm und fröhlich sein! " Menschen sind für den Sprecher Kinder – Kinder Gottes zwar, aber eben Kinder, die eitel und verführbar sind, unwissend und ziellos. Sie können nur auf Gottes Güte und Vergebung hoffen – und auf einen "sanften Tod". Das sind fromme Wünsche, die noch dem Ungläubigen gefallen. Weltfrömmigkeit, Menschenfreundlichkeit und Gottvertrauen mischen sich in ihnen. Damit lässt sich gut schlafen. Für Claudius sind die Welt und der Mensch in Gottes Hand. Wer das weiß, muss bescheiden, dankbar und freundlich werden, Irrwege meiden und sein Heil in Gott suchen.
Wo Stehst Du, 2024