Wo Stehst Du
Schneider: Wenn eine Angst anhält, sollte man sich professionelle psychotherapeutische Hilfe holen. In der Behandlung üben Eltern und Kind zusammen die Angst machenden Situationen mithilfe spielerischer Elemente ein. Dem Kind wird vermittelt, dass man mit solchen Situationen umgehen kann. Dass es einen nicht hilflos macht, auch wenn es sich am Anfang so anfühlt. Wir sagen den Kindern oft: Nur wer Ängste kennt, kann auch mutig sein. Das führt zu einer anderen Sichtweise auf die Angst. In unserer aktuellen Behandlungsstudie "Kinder bewältigen Angst (KibA)" erarbeiten wir im Augenblick neue Konzepte, um Kindern mit Angststörungen und ihren Eltern psychotherapeutisch noch besser helfen zu können. Zeigen sich frühe Angststörungen später häufig wieder? Schneider: Anders als lange vermutet, sind Angststörungen stabiler als gedacht. In Längsschnittstudien hat sich herausgestellt, dass bei circa der Hälfte der Kinder, die im Kleinkindalter Angststörungen hatten, auch später wieder Ängste auftreten.
Allerdings in anderer Ausprägungen. Der 16-Jährige hat dann keine Trennungsangst mehr, sondern vielleicht Angst vor sozialen Situationen. Vielen Dank für das Gespräch!
Dem Kind etwas zutrauen beugt Angststörungen vor Lernt das Kind nicht rechtzeitig, mit einer Angst umzugehen, kann daraus eine Angststörung entstehen. Das hängt laut Schneider vor allem vom Verhalten der Eltern ab: "Es gibt natürlich genetische Anlagen, aber die Erziehung spielt eine entscheidende Rolle. Angststörungen entstehen oft durch einen sehr behütenden Erziehungsstil. " Vielen Eltern sei das gar nicht bewusst. Sie möchten wohl einfach nicht, dass ihr Kind leidet – und versuchen entsprechende Situationen zu vermeiden. "So veranlassen manche Eltern eher einen Schulwechsel, statt mit dem Kind die Probleme vor Ort zu lösen. Oft – natürlich nicht immer – ist das falsch", sagt Schneider. "Das Kind muss lernen, mit unterschiedlichen Menschen klarzukommen. " Vor allem, wenn die Eltern selbst schon unter Ängsten leiden, übertragen sie diese häufig auf ihre Kinder. "Studien haben gezeigt, dass es schon positive Auswirkungen auf das Kind hat, wenn Eltern ihre eigenen Ängste therapieren lassen", sagt Schneider.
Wo Stehst Du, 2024