Wo Stehst Du
Über die andere Seite wird Dieter Nuhr sich lustig machen. " Nuhr keine Angst vor Namenswitzen. Thunberg-Plakat auf einer FRidays for Future-Demo. Foto: imago images/IPON Nun kann man lange trefflich darüber diskutieren, wer mehr Spott verdient hat. Ich würde dem Volksverpetzer hier zustimmen. Aber nur, weil ich Sympathien für Greta und ihr Anliegen hege, sind wir doch noch lange nicht in der satirischen Einbahnstraße. Das widerspricht Paragraf 1 des Satire-Grundgesetzes von Herbert Feuerstein: "Jeder hat das Recht, verarscht zu werden. " Selbstverständlich ist Greta Zielscheibe von Satire, sie muss es sogar sein. Alles andere wäre Ausgrenzung, ja Diskriminierung. Gretas Strahlkraft ist enorm. Da sind Scherze erlaubt, vollkommen unabhängig von der Frage, ob diese dann gefallen oder nicht. Hier sind wir bei der guten alten Stellvertreter-Betroffenheit, die paternalistisch verfügen will, wer über wen zu witzeln hat und vor allem wo dies zu unterlassen sei. Es ist die Fraktion, die nach Auftritten mit der Stirn in Falten darauf hinweist, dass niemand mit behinderten Menschen Schabernack treiben dürfe, außer behinderten Menschen selbst.
Greta, die Monstranz der heiligen Klima-Kirche | QPress Jede Ideologie oder Religion braucht ihr Gesicht, damit die banale Psychologie ihren vorgeplanten Dienst tun kann. Zur Rettung der Welt ist es Klima-Greta. Schulschwänzende Kinder an die Macht? Unser Bild der Woche kommt von dem politisch inkorrekten Kolumnisten Pommes Leibowitz Ein kleines Mädchen bekommt die Goldene Kamera (und vermutlich noch viele weitere Preise), weil sie ihre Empörung und ihren Weltschmerz nach draußen trug. Dieser Mut und diese Beharrlichkeit verdienen Anerkennung. Was aber ist von einer Gesellschaft zu halten, die die wissensbefreite Empörung eines pubertierenden […]
Die Auslassung der orthografischen Regeln geht einher mit der Auslassung des Reflektierens über das, was sich impulsiv gerade in Ausrufezeichen Bahn brechen will. Der langsame, mühevoll erzielte Erfolg der Evolution, die Umstellung von Reflex auf Reflexion, wird mit 280 Zeichen schlagartig rückgängig gemacht. Die Wiedereinberufungsbefehle der Gegenwart spielen sich ab in den Schützengräben der sozialen Medien. An die Stelle der Wehrpflicht ist die totale Mobilmachung in den Darkrooms des Internets getreten. Der Wunsch nach Authentizität ist ein zutiefst regressiver. Aber Kunst und insbesondere Satire spielen, wenn sie gut sind, mit Uneindeutigkeit, sind zu Hause im Amorphen, im Ambivalenten, Vieldeutigen, im Experiment, nicht im Resultat und vor allem nicht in der Absicherung der eigenen Überzeugungen, in der Reinheit und Klarheit des Erzählten. In den vergangenen Jahren ist insbesondere das Kabarett zu einer Veranstaltung verkommen, in der man oft nur noch zu den Bekehrten predigt. Aber ihr Glaube ist offensichtlich fragil, leicht zu erschüttern, unter dem Pflaster ist offenbar noch immer der Strand, wenn schon ein Komiker, der im Kinderzimmer zur Energie- gewinnung ein Laufrad mit Dynamo aufstellen möchte, so sehr irritieren kann.
Der Wunsch nach authentischer Kunst geht einher mit dem Wunsch nach authentischer Politik. Auch diese kann es nicht geben. Ein Politiker in einer Demokratie ist Funktionsträger, er macht Kompromisse, er muss manchmal Dinge sagen oder vertreten, die er nur ungern vertritt oder die ihm gegen den Strich gehen. Ein authentischer Politiker ist immer der Vorbote des totalitären Staats. Die Wähler Donald Trumps waren sich sicher, sie hätten ihn wegen seiner authenticity gewählt, und vieles spricht dafür, dass sie recht hatten. Trump beleidigt und pöbelt ungefiltert und ohne jedes Gefühl für Anstand sehr authentisch in der Gegend herum. Er ist so etwas wie das Worst of aller authentischen Kommentarspalten-Vollschreiber. Im Internet sind Menschen auf widerliche Art authentisch Auch im Internet sind die Menschen auf widerliche Art authentisch, indem sie sich nicht einmal zu schade sind, Renate Künast als "Drecksfotze" zu beschimpfen. Hier schreibt man reflexhaft hinein, was einem gerade einfällt.
Stattdessen nahm man das Gedicht als Werk ohne den Zusammenhang, in dem es stand. Das ist künstlerische Barbarei. Eine der Errungenschaften der Moderne, das Lesen und Verstehen von Anführungszeichen, ist bis heute – sogar richterlich – außer Kraft gesetzt. Diese Entwicklung scheint auch eine Folge des Wunsches nach Authentizität in der Kunst zu sein, die sich in den vergangenen Jahren breitgemacht hat. Als 2015 der erste Film des YouTubers Freshtorge, "Kartoffelsalat", in die Kinos kam, schrieb ausgerechnet die "Süddeutsche Zeitung", hier seien "Jugendliche am Werk, denen es nicht um Qualität, sondern um Authentizität ginge. " Man könnte Authentizität also auch übersetzen mit Ahnungslosigkeit. Aber Kunst und Authentizität schließen sich aus. Kein Künstler ist authentisch, er ist es vielleicht als Privatmensch, aber als Kunstfigur ist er es nie. Kunstfigur zu sein bedeutet, den Prozess einer Entäußerung, einer Entfremdung durchlaufen zu haben, um anschließend auf einer höheren Ebene als Kunstfigur konsequent bei sich anzukommen, um dann authentisch in einer unauthentischen Weise zu sein.
Er fände es gut, dass Greta das Klima thematisiere, glaube aber, dass ihre Forderungen in ihrer ganzen Radikalität in eine Katastrophe führten. Und setzte dann noch einen drauf: "Was ich letzte Woche vergessen habe zu sagen: Wahrscheinlich auch in einen dritten Weltkrieg. " Dieter Nuhr nimmt sich erneut Greta Thuberg vor Die 16-jährige Klimaaktivistin als Verursacherin eines globalen Kriegs – damit provozierte Nuhr seine Kritiker, die für seine Witze über die junge Schwedin wenig Verständnis zeigten. Und fuhr einen Frontalangriff: "Ich hatte vergessen, dass man Greta ohne Einschränkung huldigen muss. Dass wir hier keine Satire machen, sondern einen Gottesdienst. " Er selbst habe auch nicht alles richtig gemacht, sagte der 58-Jährige: "Ich habe die aktuellen Diskussionsverbote nicht beachtet. " Kabarett sei in den meisten Fällen heute ein Treffen von Gleichgesinnten zum Zwecke der Selbstbestätigung, so Nuhr. Da sei er natürlich raus. Zusammenfassend über die Debatte, die seine Sendung von vergangener Woche ausgelöst hat, sagte der Comedian: "Wir sind offensichtlich mit Greta auf einer neuen Stufe der Hysterie angekommen, in der Meinungsvielfalt weder möglich noch erwünscht ist. "
Als ich einmal den Werkstättentag für behinderte Menschen moderieren durfte, waren es genau diese Menschen, die sich Gags auf ihre Kosten explizit wünschten. Beschützer von Greta verhalten sich wie rechte Trolle Es ist paradox: Jene Gutmeinenden, die Greta vor Spott beschützen wollen, behandeln sie exakt genau so wie die rechten Trolle. Sie machen sie zu dem Opfer, zu dem Kind, das sie selbst weder sein möchte noch ist. Überhaupt musste ich mich bei einigen Twitter-Posts erst rückversichern, welche Seite sich jetzt hier gerade echauffiert. User Michael Flammer beispielsweise schrieb, es tue ihm fast körperlich weh, dass er mit seinen Gebühren Nuhrs Show mitfinanzieren müsse. Das ist ein Argument, das man sonst eher von Leuten hört, die auch mit Björn Höcke mitleiden, wenn er schwer traumatisiert von kritischen Fragen ein Interview abbrechen muss. Andere nannten Nuhr Abfall oder "reaktionäres Arxxxloch. " Auf unserer linksliberalen, selbst erklärten weltoffenen Seite der Macht kann man sich stark für künstlerische Reinheitsfantasien begeistern.
Wo Stehst Du, 2024