Wo Stehst Du
Und Erzieher ersetzen keine Großeltern. Und alle Hände hoch! William, Jonathan und Het Lüthje (ganz links) sind begeistert dabei Foto: SPIEGEL ONLINE Wer heute "Kita und Altenheim" googelt, bekommt als Ergänzung von der Suchmaschine "unter einem Dach", "Kooperation", "Besuch" und "Zusammenarbeit" vorgeschlagen. Offenbar scheint vielen wieder einzufallen, was eigentlich selbstverständlich ist: Die Alten können von der Lebensfreude der Jungen profitieren, die Jungen von der Weisheit der Alten. Viele Adjektive treffen auf beide zu: verträumt, unselbstständig, manchmal auch störrisch, eigensinnig, unvernünftig. Und ob Weihnachtsschmuck basteln oder Ostereier bemalen - viele Aktivitäten finden ohnehin in Kitas und in Altenheimen statt. Warum also nicht gemeinsam? Ein Ort, an dem diese Zusammenarbeit funktioniert, ist Hamburg-Barmbek. Vor fünf Jahren wurde dort die Kita Eulennest gebaut, direkt neben einem Seniorenheim. Die Leitung sollte ein junger Erzieher und studierter Sozialpädagoge übernehmen: Marko Bleiber, heute 33 Jahre alt.
Und die Kita bietet Platz für 24 Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und sechs Jahren. Unter den Alten, berichtet die Kita-Leiterin, gebe es eine Kerngruppe von 30 Leuten, die immer an die verschiedenen Begegnungen mit den Kids kommen würden. Vereinzelt entstünden sogar Freundschaftsbande zwischen der Grosseltern- und der Enkelgeneration. Der Soziologe François Höpflinger begrüsst den organisierten Generationenmix in Heim und Kindertagesstätte. «Heute gibt es fast keine freilaufenden Kinder und Senioren mehr», sagt der Generationenforscher augenzwinkernd. Alte Leute und kleine Kinder seien entweder zu Hause in den eigenen vier Wänden oder würden in Heime und Tagesstätten gesteckt. «Früher traf man sich beim Dorfbrunnen oder auf dem Kirchenplatz. » Aber mit dem Verkehr heutzutage und der Verstädterung seien spontane Begegnungen fast nicht mehr möglich. Umso wertvoller seien organisierte Generationentreffen. «Die Kinder bringen Leben ins Haus. Und die alten Menschen mit ihrem langsamen Rhythmus wirken beruhigend auf die Kleinen.
"Tsamina mina eh eh Waka waka eh eh... " Aus dem Speisesaal des Altenpflegeheims schallt Shakiras Fußball-WM-Hymne. Ein Mann stoppt seinen Rollator und späht durch die halboffene Tür. Die Esstische wurden zur Seite gerückt, um Platz für die Trommler und Sänger zu schaffen. Sie sitzen in einem großen Kreis, Het Lüthje auf einem Rollstuhl. Die 88-Jährige ist auf der Sitzfläche ganz nach vorn gerutscht, beherzt haut sie auf das Djembé zwischen ihren Beinen. Die Beine ihrer Sitznachbarn baumeln in der Luft: Jonathan, 5, und William, 6, sind so klein, dass ihre Füße von den Stühlen aus noch nicht auf den Boden reichen. Die beiden Jungs trommeln auf Bongos. Zu sechst sind sie mit ihrem Erzieher aus der Kita nebenan herübergekommen, um mit den Bewohnern des Altenheims zu musizieren. Kita und Altenheim, diese Kombi wurde jahrzehntelang vor allem mit Ruhestörung oder Lärmbelästigung in Verbindung gebracht. Seniorenheime wurden am Stadtrand gebaut, Kinder und Alte streng getrennt. Doch grüne Wiesen helfen nicht gegen Einsamkeit.
Langweilig muss das nicht sein – wenn du selbst Interesse zeigst und die Neugier deines Kindes weckst, finden sich meistens Anknüpfungspunkte. Oder alle spielen gemeinsam ein Spiel, um zusammen Spaß zu haben und einander besser kennenzulernen. Nutze auch Gelegenheiten wie Stadtteilfeste oder den Tag der offenen Tür, den viele Seniorenheime regelmäßig anbieten. Dein Kind hat ein Recht darauf, nicht nur Gleichaltrige zu treffen, sondern auch Menschen älterer Generationen kennenzulernen. Davon profitieren schließlich alle.
Das Thema Tod sei allein durch die Nachbarschaft mit dem Altenheim ein präsentes Thema, sagt Bleiber: "Wenn dort ein Leichenwagen vorfährt, fällt das den Kindern sofort auf. Sie wollen wissen, was das für ein langes Auto ist. " Er rät zur Ehrlichkeit: "Man kann den Kindern ruhig sagen, dass damit Menschen abgeholt werden, die verstorben ist. Das ist der Lauf des Lebens, der Tod gehört dazu. " Für die Kinder sei das in der Regel kein Problem, "die meisten haben auch schon erlebt, dass Großeltern oder Bekannte beerdigt werden". Eine Person allein könne unmöglich bis zu zwölf Kinder und zwölf Senioren betreuen, sagt Bleiber. "Das ist natürlich auch eine Ressourcenfrage, da hakt es an vielen Stellen. " Der gemeinsame Gymnastikkurs musste deshalb eingestellt werden, auch das gemeinsame Kochen findet nur noch unregelmäßig statt. Und selbst bei bester Vorbereitung laufe nicht immer alles rund. "Wir hatten zum Beispiel einmal die Situation, dass beim gemeinsamen Essen ein Junge seinen Steckrübeneintopf nicht aufessen wollte", sagt Bleiber.
Wo Stehst Du, 2024